Vintage Knitting – von der Faszination alter Strickmuster

Bild von wee bird via FlickrCreative Commons Attribution 2.0 Generic (CC BY 2.0)

Wer meine Ravelry-Favoriten-Liste überfliegt, der wird merken, dass ich ein besonderes Faible für alte Strickmuster der 1930er bis 1950er Jahre habe. Was mich an diesen Modellen so fasziniert ist ihre Eleganz und die Selbstverständlichkeit mit der Stricksachen und Kostüme miteinander kombiniert wurden ohne dabei altbacken auszusehen. Hinzu kommt, dass viele StrickerInnen durch den 2. Weltkrieg bei weitem nicht auf die Vielfalt an Wollqualitäten zurückgreifen konnten wie wir es heute tun. Ein neues Oberteil entstand oftmals nur durch das Auftrennen eines alten Strickstücks und das schöne Wort Upcycling, was heute in aller Munde ist, war damals pure Notwendigkeit (mit der Betonung auf Not).

Ich finde es wunderbar, wenn ich in meinem Instagram-Feed andere Strickerinnen sehe,die diese Modelle zu neuem Leben erwecken, indem sie sie nachstricken, modifizieren und vielleicht sogar mit passenden Accessoires zu Schau tragen. Es ist gar nicht so einfach, ein altes Muster einfach nachzustricken und verlangt viele Vorüberlegungen. Im Mittelpunkt stehen vor allem zwei Dinge:

  • die veränderte Körperform

    Sehen wir der Realität ins Auge. Frauen in den 1930er bis 1950er Jahren waren weitaus kleiner als heutzutage und obwohl mit Sicherheit nicht alle so eine Wespentaille hatten wie das Modell, das das Strickstück trägt, so waren doch viele etwas schmaler gebaut. Ich persönlich bin weit von einer 60er Taille entfernt. Ich bin über 1,80m groß und würde ich strikt den Mustern folgen und nach 29cm mit dem Armausschnitt beginnen, würde ich mir unfreiwillig ein bauchfreies Oberteil zusammenstricken. Das will, glaube ich, keiner sehen 😀

  • das Strickmuster

    Ein Großteil der Strickmuster ist nur für eine Größe ausgelegt. Falls Ihr Euch ein englischsprachiges Muster ausgesucht habt, werdet Ihr oftmals auf ein 32”-Bust oder 34”- Bust antreffen. Das ist eine Brustweite von 81 bis 84 cm und entspricht etwas einer Kleidergröße 34 bzw. 36. Glück für all diejenigen, die solche ine Kleidergröße tragen. Für alle anderen heißt es umrechnen!

  • die Wolle

    Es ist mehr als unwahrscheinlich, dass Ihr auf die Wolle zurückgreifen könnt, die das Strickmuster empfiehlt, da es diese oftmals nicht mehr zu kaufen gibt. Dennoch ist es kein Problem, geeigneten Ersatz zu finden. Ein Großteil der Strickmodelle besitzt eine Maschenprobe von 28 bis 30 Maschen /10 cm und wurde auf 2,5mm bis 3mm Nadeln gestrickt. Am sinnvollsten ist es, hierfür eine drei- bis vierfädige Wolle zu wählen wie beispielsweise die Holst Noble, Coast oder Supersoft oder aber Arwetta classic, Coop Socks Yeah! Sandnes Alpakka Silke oder Tynn Merinoull. Wenn Ihr Euch auf Ravelry umschaut, findet Ihr diese Wollqualitäten auch unter den Kategorien 3 ply (Light Fingering) und 4ply (Fingering).
    Für heutige Begriffe ist das eine sehr feine Strickerei und vielerorts wird so ein Strickvorhaben gleich ad acta gelegt: zu fein, zu langwierig! Doch wer diesen Strickmarathon durchhält, der wird nicht nur mit einem einzigartigen Strickstück belohnt, sondern lernt auch einiges hinzu in Bezug auf den eigenen Körper und die individuelle Passform. Eine win-win also 😉

Wer sich auf das Abenteuer alte Strickmuster einlassen möchte, dem seien hier ein paar wunderbare Seiten ans Strickerherz gelegt, auf denen Ihr Inspiration, zum Teil kostenfreie Anleitungen, Tipps und Tricks finden könnt:

  • http://thevintagepatternfiles.blogspot.de/
    Wunderbare Sammlung kostenloser Strick-, Häkel- und Nähmuster beginnend im 19. Jahrhundert bis in die 1970er Jahre.
  • https://www.beswingtesallerlei.de/
    Ein Blog rund ums Stricken und Nähen toller Mode aus dem 1930 bis 1950er Jahren, ebenfalls mit kostenfreien Mustern und How-To´s
  • https://www.thevintageknittinglady.co.uk/
    Sue bietet in Ihrem Shop eine riesige Bandbreite an alten Strick- und Häkelmustern an, die es zum großen Teil nur bei ihr gibt. Die meisten Muster kosten als PDF-Download um die 1,75€, ansonsten wird auch der Versand von Kopien angeboten
  • http://bygumbygolly.com/
    Tasha ist eine bekannte Größe in der Bloggerwelt der Retrostricker und strickt/näht nicht nur selbst wunderbare Modelle. Sie entwirft auch, hostet Knit-a-longs und hat eine ganze Serie über das Anpassen eines alten Strickmusters an die eigenen Bedürfnisse geschrieben. Wer des Englischen mächtig ist, sollte unbedingt hier weiterlesen!

 

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  1. Ein interessanter Beitrag, danke 🙂 ich habe gehört, dass in den Strickmustern von damals eher flach und in Stücken gestrickt wird statt rund. Konntest du feststellen, ab wann sich das so langsam geändert hat? LG Susanne

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